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Reden der Kundgebung zum Antikriegstag 2013

Klaus Stein (Vereinigte der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, VVN-BdA)


Liebe Freunde,
als am 1. August 1914 die deutschen Soldaten in den Krieg gegen Frankreich zogen, glaubten sie, Weihnachten wieder zuhause zu sein. Dass es ein Weltkrieg wurde, hat sich erst später herausgestellt.

Am Abend des 31. August 1939 wurde SS-Sturmbannführer Alfred Naujocks mit fünf weiteren SS-Leuten zum Sender Gleiwitz geschickt. Sie drangen verkleidet, polnische Freischärler darstellend, gegen 20.00 Uhr in das Gebäude ein und überwältigten vier Mitarbeiter. Dann riefen sie in deutscher und polnischer Sprache ins Mikrophon „Achtung! Achtung! Hier ist Gleiwitz. Der Sender befindet sich in polnischer Hand … Die Stunde der Freiheit ist gekommen! Hoch lebe Polen!“ Sie hinterließen eine präparierte Leiche und verschwanden nach wenigen Minuten.

An selben Abend (heute vor 74 Jahren) um 22.30 Uhr berichtete der Reichsrundfunk über den Überfall. Am nächsten Tag stand es in der gesamten deutschen Presse. Hitler hielt eine Rundfunkrede: „Nachdem schon neulich in einer einzigen Nacht Grenzzwischenfälle waren, sind es heute Nacht 14 gewesen, darunter drei ganz schwere. … Polen hat heute Nacht zum ersten Mal auf unserem eigenen Territorium auch mit bereits regulären Soldaten geschossen. Seit 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen.“
Die polnische Armee kapitulierte am 6. Oktober. Noch ahnte niemand, dass wir schon mitten im nächsten Weltkrieg waren.

Kriege sind unpopulär, deswegen beginnen sie in der Regel mit Täuschungsmanövern. Im August 1964 wurde angeblich ein Kriegsschiff der USA vor der Küste der Demokratischen Republik Vietnam, wie sich der nördliche, der sozialistische Teil des Landes nannte, von vietnamesischen Schnellbooten angegriffen. Das war der Tonkin-Zwischenfall. Er diente als Vorwand für den Krieg der USA gegen das Land. Er kostete drei Millionen Vietnamesen das Leben, vielen davon durch das Gift Agent Orange. Es handelt sich dabei um die giftigste Variante von Dioxin. Im Jahre 2002 litten nach Schätzungen des Roten Kreuzes etwa eine Million Vietnamesen an gesundheitlichen Schäden durch Spätfolgen von Agent Orange, darunter 100.000 Kinder mit angeborenen Fehlbildungen. Geschädigte US-Soldaten wurden finanziell entschädigt, vietnamesische Opfer nicht. Eine entsprechende Sammelklage in den USA wurde 2005 abgewiesen, da der Einsatz von Agent Orange „keine chemische Kriegsführung“ und deshalb kein Verstoß gegen internationales Recht gewesen sei.
Bekanntlich haben die USA den Krieg verloren. Die Amerikaner mußten 1975, einige fluchtartig, das Land verlassen.

Am 2. August 1990 besetzten irakische Truppen Kuwait. Noch am selben Tag verabschiedete der UN-Sicherheitsrat eine Resolution, die den Rückzug verlangte.
Die USA drängten auf Krieg. Aber es gab Vorbehalte. Sie schwanden, nachdem am 10. Oktober ein 15-jähriges Mädchen namens Nayirah im Kongress auftrat. Sie sei als Helferin in einer kuwaitischen Klinik Zeugin geworden, wie irakische Soldaten Babys aus ihren Brutkästen genommen und „sie auf dem kalten Fußboden sterben gelassen“ hätten. Sie und ein anderer Zeuge, „Mr. Issah Ibrahim, der Chirurg“ traten auch vor dem Sicherheitsrat auf. Bush sen., der damalige US-Präsident, kam in zahlreichen Reden auf den Vorfall zu sprechen. 312 Babys hätten auf diese Weise den Tod gefunden. Amnesty International bestätigte das am 19. Dezember 1990. Die New York Times deckte später auf, dass es sich bei Nayirah in Wirklichkeit um die Tochter des kuwaitischen Botschafters handelte und bei dem Chirurgen um einen Kieferorthopäden, der in den USA praktizierte. Die Geschichte war von der Werbeagentur Hill and Knowlton erdacht worden.
Der Krieg gegen den Irak begann am 17. Januar und endete am 5. März 1991. 200 000 irakische Soldaten verloren ihr Leben. (Das ist – zugegeben – die dramatischste Schätzung.) Auf der Gegenseite gab es 237 Tote. Nur zu ahnen sind die langfristigen Schäden durch 320 Tonnen Geschosse aus abgereichertem Uran.
Das Land wurde in der Folge mit Sanktionen belegt. In der Fernsehshow „60 Minuten“ am 12. Mai 1996 fragte Lesley Stahl die US-Außenministerin Madeleine Albright: „Wir haben gehört, dass deswegen eine halbe Million Kinder gestorben sind. Ich meine, das sind mehr Kinder, als in Hiroshima umkamen. Und - sagen Sie, ist es den Preis wert?“ Albright: „Ich glaube, das ist eine sehr schwere Entscheidung, aber der Preis - wir glauben, es ist den Preis wert.“
Als am 5. Februar 2003 der US-Außenminister Colin Powell die Lüge von den Massenvernichtungswaffen im Irak vor der Weltpresse ausbreitete, hatte er vorher mit blauem UNO-Tuch die Tapisserie nach dem berühmten Guernica-Gemälde von Pablo Picasso verhängen lassen. Der Krieg begann am 20. März 2003. Offiziell wurde die Besetzung des Landes 2012 beendet. Die Koalition der Willigen verschoss im Laufe des Krieges 1000 bis 2000 Tonnen panzerbrechende Uranmunition. In der Folge stiegen die Zahlen von Leukämiekranken, anderen Krebsarten und Missbildungen drastisch. Die Zahl der zivilen Opfer wird mit mehr als 100 000 angegeben, ein Mitarbeiter der John-Hopkins-Universität, der in einer Studie auf die Zahl von 650 000 zivilen Toten kommt, wurde von der Universität gemaßregelt.

Ein Gefecht von jugoslawischen Polizeikräften gegen die UCK am 15. und 16. Januar 1999 im Kosovo wurde zum Massaker von Račak umgedeutet und diente der NATO als Vorwand für die Luftangriffe gegen Jugoslawien vom 24. März bis zum 10. Juni 1999. Etwa 5000 Menschen verloren durch NATO-Bomben das Leben. Auch im Jugoslawienkrieg wurde abgereichertes Uran verwendet.

Gegen Libyen flogen ab dem 19. März 2011 die USA, Großbritannien und Frankreich Luftangriffe. Sie stützten sich auf eine UNO-Resolution zum Schutz von Zivilisten dort. Der Krieg dauerte bis zum 23. Oktober. Über Opferzahlen wird selten geredet, es waren aber mehrere 10 000, darunter Ghaddafi. Um ihn ging es und um die Ölquellen im Lande.

In der Krise sucht Kapital vergeblich nach Verwertungsmöglichkeiten. Die kapitalismusverträglichste Form der Kapitalvernichtung ist der Krieg. Die Krise drängt infolgedessen zum Krieg. Die massenhafte Vernichtung von Menschen erscheint als unvermeidlicher Kollateralschaden des Systemerhalts.

Der erste Weltkrieg kostete 12 Millionen Menschen das Leben, der zweite 65 Millionen.
Es ist daran zu erinnern, dass die globalen militärischen Vernichtungskapazitäten hinreichen, die gesamte Menschheit auszurotten, sollte es zu einem dritten kommen.

Also: Hände weg von Syrien! 
03.08.2012 11:23h