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Reden der Kundgebung zum Antikriegstag 2013


Rede von Senta Pineau (Arbeitskreis Zivilklausel Uni Köln)


Liebe Kriegsgegner und Friedensfreunde,

es wurde in den verschiedenen Beiträge heute deutlich: das erste was im Krieg stirbt, ist die Wahrheit. Genauer müßte es eigentlich heißen: Das erste, was für die Kriegsführung verschleiert werden muß, ist die Wahrheit. Umkehrt gilt allerdings auch: mit der Verbreitung der Wahrheit sind Kriege nicht nur zu beenden, sondern auch gänzlich unmöglich zu machen.

Und die Wahrheit über die Kriege der Nato ist: hier geht es nicht um Menschenrechte, dem Wohl der Bevölkerung oder Demokratie, sondern ganz banal um wirtschaftliche und geostrategische Machtinteressen, um die Erschließung neues Absatzmärkte, die Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen, Handelswegen, und um die Einschränkung der Einflußsphären von China und Russland.

„Die da Oben“ können aber nicht alles machen, was sie wollen. Sie brauchen die Zustimmung der Bevölkerung, um Ihre Kriege führen zu können, deswegen müssen sie jeden Krieg auch mit einer Lüge beginnen.

Daher hat die Aufklärung und das Engagement der internationalen Friedensbewegung große Bedeutung: Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 unterstützten noch mehr als 80 Prozent der Amerikaner den Feldzug gegen Afghanistan. Zu Beginn des Irak-Krieges 2003 wusste der republikanische Präsident George W. Bush mindestens die Hälfte der Bevölkerung hinter sich. Nach den Erfahrungen aus dem Irak und Afghanistan ist nun der internationale öffentliche Druck groß gegen einen möglichen Angriff der Nato-Staaten auf Syrien. In den USA unterstützen laut der neusten Umfragen nur 9 % der Bevölkerung einen Einsatz in Syrien.

Die Kritik reicht mittlerweile bis in die Parlamenten der kriegstreibenden Länder. Am Donnerstag verweigerte das britische Parlament vorerst das grüne Licht für einen Angriff auf Syrien.

Die Politik für die großen Geschäfte und Ihre militärische Durchsetzung steckt weltweit in der Krise.

Hier wird deutlich: Es kommt voll und ganz auf uns an!

In den letzten Jahren hat sich an Hochschulen das Engagement für eine friedensfördernde Wissenschaft entfacht, gegen die Indienstnahme der Wissenschaft für Kriegsvorbereitung, Kriegsführung und Kriegslegitimation. An den Hochschulen und überall geht es darum, neu zu lernen und einzugreifen, um Frieden zu schaffen.

Lernen für den Frieden, das heißt zum Beispiel 100 Jahre nach Beginn des ersten WK zu erkennen, dass der militärische Machtkampf für eine Aufteilung der Welt sich immer gegen die Bevölkerung der Kriegsführenden und der angegriffenen Länder richtet. Der Historiker Fritz Fischer entlarvte in den 70er Jahren die Kontinuität des reaktionären „Bündnis der Eliten“ - also des Bündnisses von Junkern, Militärs und Großindustriellen und ihren Handlanger in den Regierungen und Parlamenten - die sich darin einig waren, fortschrittliche Kräfte zu bekämpfen, und die zur Aufrechterhaltung und Erweiterung Ihrer Macht den Ersten und den Zweiten Weltkrieg sowie den Faschismus in die Wege geleitet haben.

Ein solches „Bündnis der Eliten“ ist es auch heute, dass für wirtschaftliche und machtpolitische Interessen im Zweifelsfall bereit ist, ganze Landstriche in Schutt und Asche zu legen und den Tod von hunderttausenden im Kauf zu nehmen. Es ist z.B. organisiert im „Celler Trialog“, einem Forum aus Vertretern der Politik, der Wirtschaft und der Bundeswehr. Über die Auswahl der Teilnehmer zu den exklusiven Treffen dürfen das Bundesministerium der Verteidigung und die Commerzbank entscheiden. Sie kommen jährlich zusammen, aber vor allem deswegen, weil sie ein Problem haben.
Die Bevölkerung, dieser Lümmel, will nicht mehr so recht. Zu Beginn der Krise 2008 haben sich daher 100 Vertreter aus Wirtschaft, Bundeswehr und Politik getroffen und beraten, was unternommen werden muß, um die Zustimmung zur Kriegspolitik wieder herzustellen. Zitat:

„Wir brauchen eine intensivere sicherheitspolitische Debatte in Deutschland, um die Bedeutung von Sicherheit für die Zukunft unseres Landes und das Verständnis für die Auslandseinsätze der Bundeswehr verbreitern zu können.“

Und:

„Darüber hinaus wollen wir aktiv darauf hinwirken, dass der sicherheitspolitische Dialog auch in Forschung und Lehre, insbesondere an unseren Hochschulen, gestärkt wird, z.B. durch die Einrichtung von Stiftungsprofessuren und durch einen dauerhaften, praxisorientierten und wissenschaftlichen Austausch zwischen Wirtschaft und Bundeswehr.“

Die Antwort darauf ist: Seitdem gibt es an über 30 Hochschule Initiativen von Studierenden und MitarbeiterInnen, die gegen die Kriegspolitik aufklären und dafür wirken, dass die gemeinsame wissenschaftliche Aneignung und Arbeit zu Frieden, einer zivilen Entwicklung der Gesellschaft und zur Verbesserungen der Lebensbedingungen beitragen.

Aus den ersten Weltkrieg läßt sich nämlich auch lernen: Es ist die Bevölkerung selbst, die den wesentlichen Stoß dazu gab, dass der Krieg beendet werden mußte. Die Matrosenmeuterei und der Matrosenaufstand in Wilhelmshafen waren die Auflehnung derjenigen, die nicht mehr Kanonenfutter sein wollten und nicht nur den Krieg beendeten, sondern sich mit der Novemberrevolution auch anmaßten, ihre Geschicke in die Hände zu nehmen.

Was das für heute bedeutet? Dass die Wahrheitsfindung, ihre Verbreitung und das politische und solidarische Engagement für eine menschenwürdige Entwicklung weltweit wieder von uns in ihrer bewegenden Wirksamkeit erkannt werden kann und muß. Die Gegnerschaft zur Politik für die großen Geschäfte und zu ihren Profiteuren und das solidarische Engagement für Frieden, sinnvolle Arbeit, Gesundheit, Bildung und Kultur für alle macht den Rücken Grade, den Geist heiter und die Welt erfreulicher.

Um das voranzutreiben haben wir eine bundesweite Kampagne entwickelt: „Lernen für den Frieden“. Mit einem Bündnis von Friedenorganisationen, Gewerkschaften und linken Parteijugenden wollen wir alle ermuntern, sich für ein Bildungssystem und eine Gesellschaft einzusetzen, die von Aufklärung, Solidarität und Argumentation statt der kriegerischen Durchsetzung politischer und wirtschaftlicher Interessen geprägt ist. Und damit wollen wir auch im Wahlkampf die Merkels und De Maizières dieser Welt vor uns her treiben. Die Unterschriftenlisten gehen auch hier rum und liegen am Infotisch aus. Unterschreibt, aber nehmt vor allem welche mit. Diese Unterschriftenkampagne soll auch eine Gelegenheit sein, nach dem heutigen Tag mit Kolleginnen, Freunden und Angehörigen ins Gespräch über die politische Lage zu kommen, die Bezugnahmen im Alltag politischer und ambitionierter zu machen und zum Eingreifen zu ermutigen.

„So wie es ist, bleibt es nicht. Wenn die Herrschenden gesprochen haben, werden die Beherrschten sprechen. Wer wagt zu sagen: Niemals?“
Bertolt Brecht, Lob der Dialektik, 1934.

Damit es in Syrien und anderswo voran geht, ist entscheidend, dass wir die Politik in die eigenen Händen nehmen.
Alle können Politik werden.
03.08.2012 11:23h